Traditionelle Beraterrollen neu denken?
Viele Berater*innen tappen in dieselbe Falle: Sie wissen, verstehen, halten Distanz und glauben, helfen zu müssen. Doch was, wenn genau darin die größte Hybris liegt?
Der systemische Ansatz stellt diese Annahmen radikal infrage – und fordert uns heraus, mit Nichtwissen, Nichtverstehen, Eingebundensein und Vertrauen zu beraten.
Traditionelle Berater sind Menschen die es Wissen!
Als Berater/-in weiß man, wie man es richtig macht. Man kann sie oder ihn fragen und bekommt entweder einen Rat (Be-rat-ung) oder gleich eine Anweisung: Mach es so! Das entspricht zum einen teilweise den Erwartungen der Klienten und zum anderen der Hybris des Wissens der Berater/-innen.
Traditionelle Berater sind Menschen die verstehen!
Berater/-innen wissen wie der Hase läuft. Sie verstehen die Organisation/das System. Sie können sich in die Stakeholder hineinversetzen und verstehen warum die Dinge so laufen wie sie laufen. Das dieses “Verstehen” auf Basis der Realitätsgebung der Beratenden stattfindet bleibt unentdeckt und führt zur Hybris des Verstehens.
Traditionelle Berater stehen außerhalb des Systems!
Mit dem zu beratenden System und den darin stattfindenden Verwicklungen habe ich nichts zu tun. Die beraterische Distanz ist möglicherweise dem Glaubenssatz geschuldet das Augenmerk nur auf dem Klienten zu haben. Dadurch findet eine Erhebung über den Klienten statt (”Mit Deinem Problem habe ich nichts zu tun”) und der Hybris der Distanzierung
Traditionelle Berater wissen von der Hilfsbedürftigkeit der Klienten!
“Der Klient bzw. die Organisation braucht meine Hilfe sonst schaffen die das nicht.” Dieser Glaubenssatz wird durch die Beauftragung des Beratenden gestützt und trägt zur Berechtigung ihrer beruflichen Rolle bei. Es herrscht also die Hybris des Misstrauens der Fähigkeiten des zu beratenden Systems.
Was also tun?
Für die Erkenntnis das Hybris nicht unbedingt vorteilhaft ist, gibt es reichlich belege z.B. „Nicht einmal Gott selbst kann dieses Schiff versenken.“ (Titanic)
Was also tun? In der systematischen Haltung nutzt man die Hybris als Kompetenz:
Die Expertise des Nichtwissens
Die Expertise des Nichtwissens schließt das Wissen der ersten Stufe mit ein und ergänzt es um das Wissen, das Wissensrelativierung mit einschließt. Für den Klienten kann etwas ganz anderes wichtig, richtig und gut sein als für den Beratenden. Die Anschlussfähigkeit spielt dabei eine Rolle: Ist das Wissensangebot der Beratenden an das Klientensystem in ihrer Realitätsgebung integrierbar? Das Nichtwissen steht dem schnellen Abspeisen des Klienten mit Rat und Tat entgegen.
Die Expertise des Nichtverstehens
Verstehen ist ein Missverständnis das nicht auffällt. Jeder konstruiert seine eigene Realität. Begriffe wie z.B. Agil, Digitalisierung, New Work werden durch das Individuum mit Sinn gefüllt. Was die Beteiligten unter Agil verstehen, könnte dann in einem dialogischen Annährungsprozess ermittelt werden. In der systemischen Beratung wird die Haltung des Nichtverstehens durch Fragen (Woran merken wir das wir agil sind?) und Hypothsenbildung (Möglicherweise wird unter agil Schnelligkeit verstanden) gelebt.
Die Expertise des Eingebundenseins
Nicht eingebunden zu sein wird durch die Einsicht ergänzt, Teil eines Tanzes zu sein, bei dem man mal die führende und mal die geführte Person ist. Agieren und reagieren wechseln sich je nach Situation ab. Dabei spielt die Selbstreflexion der beratenden Person eine große Rolle: Warum habe ich gerade ausgerechnet so reagiert oder so interveniert? Das Gewahrwerden der eigenen Eingebundenheit ermöglicht im Beratungsprozess ein freieres Agieren, da einem dadurch andere Hypothesen und Interventionen zur Verfügung stehen.
Die Expertise des Vertrauens
Welches Verhalten sich nach einer Intervention einstellt ist nicht prognostizierbar. (Ausnahme: formelle Regeln die durch Macht untermauert sind). Im weitesten Sinne heißt das, das die eigene Unwirksamkeit zur Notwendigkeit für eine positive Veränderung wird, denn diese kann nur durch das zu beratende System selbst herbeigeführt werden. Dies drückt sich in dem Ausspruch aus: Als systemischer Berater übernehme ich die Verantwortung für den Prozess der Beratung. Da bin ich Profi. Ich übernehme keine Verantwortung für das Problem oder die Problemlösung – da ist der Klient der Profi.
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